Tagebuch einer ver-rückten Zeit

Tagebuch einer ver-rückten Zeit / Tag 6

17. Oktober 2021

Frau M. hatte Corona. Gestern schrieb sie im UckermarkKurier darüber. Erst dachte ich, jetzt sei sie geläutert, aber ihre Kolumne beginnt, damit, dass ihre Coronakritische Haltung durch ihre Erkrankung noch untermauert worden sei. Wie das? Ganz einfach; kein Arzt war bereit, sie zu behandeln. Weder direkt im Haus noch aus der Ferne. Der einzige Rat, den man ihr erteilte lautete: „Wenn es schlimmer wir, rufen sie den Arzt!“ Medikamente, Mittel, die helfen würden, hieß es, gäbe es nicht.

Frau M.´s Schwester ist Krankenschwester. Sie versorgte, Frau M. sowie ihrer beider ebenfalls erkrankte 74jährige Mutter, als die Sauerstoffsättigung bedenkliche 82Prozent erreicht hatte, mit einem Sauerstoffgerät und einem Inhalator.

Ein Arzt schließlich ließ sich überzeugen per Ferndiagnose ein Codein-Spray sowie Thrombosespritzen zu verschreiben.

Wenn ich Frau M. das nächste Mal sehe, will ich sie unbedingt fragen, bei wie vielen Ärzten sie Hilfe erbeten hat. Was hätte unser Dr. K. getan?
Da bekommt man doch wirklich Angst vor dem Strich auf den Selbsttests. Vermutlich erschüttert es die Psyche nach eineinhalb Jahren der Angstmache (auch wenn man versucht standhaft zu bleiben), und wenn man dann erfährt, dass man keine ambulante Hilfe bekommen wird …

Versucht man sich im Vorfeld einen Vorrat an Ivermectin anzulegen? Aber wo bekommt man es her? Silkes Freundin ist Apothekerin. Außerdem gibt es mehrere homöopathische Mittel. Und Ruhe – sofort!
Frau M. war im Urlaub – es gab also eine Rückreise und somit Stress … Angesichts der Hamsterräder, in denen die meisten von uns unterwegs sind, will ich wissen, wie reagiert jemand, wenn er erste Symptome bemerkt. Macht er einfach weiter? Wirft er sich was ein? Wenn ja, was??? Wann legt er sich hin, macht wirklich richtig Ruhe? Viele vermutlich erst, wenn nichts mehr geht.

Elke sagt, es sei müßig, sich im Vorfeld das Schlimmste auszumalen. Es gäbe einfach zu viele Abzweigungen, die das Leben nehmen kann. Und am besten sei es, jeden einzelnen Tag für sich zu sorgen. Zum Beispiel durch Waldduschen.

Ich bin gerade sehr dabei für mich zu sorgen. Mein Körper zwingt mich. Eineinhalb Tage Ueckermünde reichen nicht zur Regeneration, haben mir aber gezeigt, wie es gehen kann. Nun schlafe ich jeden Tag aus und bleibe so lange liegen, wie es guttut. Gestern und heute haben wir zum Frühstück die Serie „Türkisch für Anfänger“ geschaut. Danach sind Clara und ich auf die Couch gewechselt und haben weiter geguckt. Bis halb Einse. Herrlich. So lange habe ich auch mein Handy ignoriert. Das funktioniert. Wenn man sich nicht beschäftigt, geht es einem richtig gut.
Ich kann verstehen, weshalb so viele sich nicht beschäftigen wollen.

Wenn ich Lust habe, gehe ich mit Trixi spazieren. Gestern war ich mit Jens in Weiler Äpfel pflücken, heute joggen, Radfahren, Hockeyspielen, anschließend in der Sauna, ich habe gepflanzt, wurde massiert und schreibe oder lese, wann immer ich Lust habe. Zwischendurch kochen. Herrlich. Doch spätestens, wenn ich einkaufen gehe, bin ich wieder konfrontiert. Mit den Maulkörben. Und wenn ich essen gehen will oder ins Theater mit 3G oder sogar 2G.

Morgen sind Jens und ich auf den Tag dreißig Jahre zusammen. (Oma Bruni würde 94 werden.) Ich hatte überlegt, mit Jens nach Usedom zu fahren und im Cafe´ Asgard essen zu gehen. Aber es geht nicht. Dort oben wird mindestens die 3G-Regel gelten. Ich könnte uns „testen“ – genau für solche Situationen habe ich mein Zertifikat gemacht, oder Sonja „testet“ uns. Welches Cafe´ weiß schon, welche Teststationen noch genehmigt sind. Aber Jens würde nicht mitmachen. Er würde in eine Teststation wollen. Doch das geht für mich nicht. Mir von irgendwem in einem Zelt (womöglich vor aller Augen) ein Stäbchen in die Nase schieben lassen. Abgesehen davon, dass wir dann schon vor dem Essen 40 Test-Euro zahlen müssten.
Die Alternative: Heute schon in die Randwirtschaft (morgen hat sie zu). Vergangene Woche wollten die nichts sehen. Aber wie ist das heute? Bleibt also nur die Uckermark. Hier ist die Inzidenz so niedrig, dass momentan keine Testpflicht besteht. Ich habe zwei Plätze im „Grünen Baum“ in Ringenwalde reserviert. Morgen früh überrasche ich Jens damit.

Von meinen Gedankenspielen im Vorfeld weiß er nichts. So was ist doch blöd. Aber so funktioniert es, Stress zwischen sich liebenden Menschen zu säen.

Ich nehme den Pfad außen rum!

Anmerkung: In dieser Woche ging ein Bericht durch die Medien, in dem geschildert wurde, dass eine Schülerin, die wegen Kopf und Halsschmerzen aus der Schule nach Hause geschickt wurde, nicht ohne Negativtest in die Praxis ihres Hausarztes durfte. Recherchen ergaben, dass auch in anderen Praxen bereits die 3G-Regel gilt.

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