
Tagebuch einer ver-rückten Zeit / Tag 5
16. Oktober 2021
Gestern waren Inga und Tobi zu Besuch. Nach einem gemütlichen Kaffeetrinken am Kamin, einem entspannten langen Spaziergang in der plötzlich auftauchenden Abendsonne und viel Geschnatter über dies und jenes, kam Inga, sie hockte am Fußboden in der Diele und rieb eben aufgesammelte Walnüsse trocken und sauber, unvermittelt auf Corona zu sprechen.
Weshalb, warum? War es mein „Briefwechsel“? – Tobi wollte heute in „seinem“ Theater anfragen, ob ich bei ihnen szenisch lesen darf – war es der Text im Rubikon? Waren es die unterschiedlichen Gespräche, die Inga führt und in denen sie vorsichtig sein muss?
Ich glaube, es war mein Buch im Rubikon. Inga sagt, sie fand den Text richtig gut, ABER: eine Rezension im Rubikon würde mir 99,9 Prozent der Türen im Öffentlich-Rechtlichen zuschlagen.
Sie selbst, erzählte Inga, habe die Rubikon-Rezension nur an zwei ihrer Freundinnen geschickt, für alle anderen, einschließlich Ingas Familie, wäre allein die Tatsache, dass der Rubikon über den „Briefwechsel“ geschrieben hat, Anlass, erstens den Text und zweitens meinen „Briefwechsel“ nicht zu lesen.
Damit waren wir mittendrin im Thema. Dieses Nichtanguckenwollen, weil man sein Urteil gefällt hat – auf welcher Grundlage?
Hat eine von Ingas kritischen Freundinnen jemals einen Rubikon-Artikel gelesen?
Es geschieht so viel Meinungsbildung und Vorverurteilung auf Grundlage von Hörensagen.
Irgendwie kamen wir auch noch auf Ken Jebsen zu sprechen. Inga kann ihn überhaupt nicht hören. Aber über ihn hat sie gehört. Der WDR hat einen Podcast über Jebsen gemacht – „Cui Bono“ und einen Preis dafür kassiert. In sechs Folgen, so habe ich eben recherchiert, wird der Auftsieg und Fall des ehemaligen Radiomoderators Ken Jebsen dokumentiert.
„Wieder etwas ÜBER jemanden“, monierte ich. Inga meint, Ken Jebsen sei angefragt worden und habe bis heute nicht reagiert. Ich fragte, von wem sie das wüsste. Das sei durch die Medien gegangen. Radio eins. Jan Böhmermann hätte sich auch dazu geäußert. Ohhhh, den kann ich nun gar nicht hören.
Inga und ich haben bestimmt eine Stunde diskutiert.
Jens kam dazu. Ihn bewegt es, dass ich so verwundert darüber bin, – er hat es drastischer formuliert: naiv?, blauäugig?, ich glaube, er sagte sogar einfältig – dass ich meine Einstellung nicht einfach leben kann, also entgegen den Anordnungen keine Tests mache, keine Maske trage und mich nicht impfen lasse und dabei erwarte, unbehelligt zu bleiben.
Klar, ich wundere mich, ich bin schockiert, dass so viele – Inga stellt klar: die absolute Mehrheit! – einfach alles mitmachen, obwohl für mich so viele Logikbausteine fehlen, alles so löcherig und durchschaubar ist.
Inga sagt, die anderen würden sich genauso über mich wundern, über meine Ansichten, meine Verbohrtheit. Es sei kein Zueinanderkommen.
DOCH, sage ich. Wenn wir darüber reden. Ohne überzeugen zu wollen. Ich möchte zum Beispiel wissen, warum R. in ihrem Laden die 2G-Regel gelten lässt. „Na weil sie einen vollen Laden haben will“, sagt Inga. Aber um diesen Preis??? Wieso schreibt N. in die Einladung zum Kirchenhustreffen, die Ungeimpften werden gebeten, vorher einen Selbsttest zu machen, wenn sich doch auch Geimpfte infizieren und das Virus weitergeben können? Fällt ihm das nicht auf?
Ich will meine Fragen loswerden.
Vielleicht finde ich Antworten bei „Cui bono“ oder Böhmermann in seinem Podcast „Fest und flauschig“. Ich werde mir beides anhören. Ebenso wie den Podcast von Markus Lanz und Richard David Precht, den Sophie gerade begeistert feiert. Was ich bisher von Precht zum Thema Corona (die Folgen für Kinder und Coronakritiker) gehört habe, hat mich schockiert, hat mich sogar veranlasst meinen Text für 1-19 „Corona ist nur der Anlass, nicht die Ursache“ zu schreiben.
Sind wir tatsächlich, jeder einzelne, zu sehr in unserer, in seiner Blase? So umfangreich (und keineswegs einseitig) wie ich mich beschäftigt habe, kann ich mir das nicht vorstellen …
Ich werde es prüfen.
Wann?
Noch eineinhalb Wochen habe ich mir Urlaub verordnet. Ich war echt am Rande. Wenn man seinen Kopf nicht mehr ohne Nackenschmerzen tragen kann, ist das mehr als nur ein Warnschuss …
Ich lese, spaziere, schaue mit Clara Serien, schreibe im Bett und schlafe hoffentlich bald wieder durch …
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