Tagebuch einer ver-rückten Zeit

Tagebuch einer ver-rückten Zeit / Tag 2

Nora Mittelstädt, 13. Oktober 2021

                                                                                                                                                  

Muss ich mich, wenn draußen die Sonne scheint, unbedingt nach draußen bewegen? Um dieser Frage aus dem Weg gehen zu können, hatte ich mir für unseren Kurzurlaub schlechtes Wetter gewünscht. Gestern erfüllte sich dieser Wunsch. Es regnete genau so lange, bis mich die Lust überkam, raus an die frische Luft zu gehen. Kaum waren wir zurück von unserem komischen Ausflug in die 3G regierte Ueckermünder Altstadt, trommelte es plötzlich wieder auf die Dachfenster. Heute nun scheint die Sonne. Bis 15 Uhr dürfen wir in „unserem“ Häuschen bleiben. Jetzt ist es 11.15 Uhr. Ich zähle die Stunden und rechne, was wir in dieser Zeit noch „schaffen“ wollen – an Erholung. Muss ich wirklich zum Strand? Die Sonne lockt. Ich liebe solche Herbsttage.

Seelenfutter

Mit ein wenig Mut kann man sein, wer man möchte.
Mit noch etwas mehr Mut, kann man sogar sein, wer man ist!  

Benno hat angerufen. Nach Monaten des Stillschweigens. Ich war schon in Sorge um ihn. Er fühlt sich so allein mit seiner Sicht. Im Juni starb sein Kumpel und Kollege, 49 Jahre, Triathlet in Folge der Impfung. Verbrieft. Es stand sogar in der Leipziger Volkszeitung. Nun will er uns besuchen kommen, um im Oberuckersee Zander zu angeln.

Seit zwei Wochen arbeitet er im Bundestag. Dort soll das gesamte Telefonleitungssystem rundumerneuert werden. Eigentlich dachte Benno, er wäre für diesen Job nicht qualifiziert. Er ist weder geimpft, noch genesen und will sich nicht ständig testen lassen. Aber denkste: „Im Bundestag“, verkündete er mir, „gilt keine 3G-Regel“.

Außerdem berichtete Benno, dass er im Bundestag nicht nur oberirdisch, sondern auch unterirdisch arbeite. Der Bundestag ist zweistöckig unterkellert und vertunnelt bis zum Dom. Am Brandenburger Tor auf Höhe des Adlon war Benno, so erzählte er, in zwei Räumen, die früher von der Stasi als Abwehr(zentrale?) genutzt wurden und komplett mit Kupfer verkleidet waren. Wahnsinn, was es alles gibt. Ich fragte, ob Benno irgendeine Verschwiegenheitsklausel oder etwas ähnliches unterschreiben musste. Nichts dergleichen.

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Wir sind wieder zu Hause.
Natürlich waren wir noch draußen, spazierten zum Strand.

Tagebuch einer ver-rückten Zeit

von Nora Mittelstädt und Freunden
12. Oktober 2021 – 2. Juni 2022

Nora, 12. Oktober 2021

Der Wahnsinn geht weiter. Oder fängt er jetzt erst richtig an? Ich habe beschlossen, einfach mal wesentlich genauer als bisher, festzuhalten, was alles passiert, welche Informationen mich erreichen, welche Absurditäten mir begegnen, auch welche Lichtblicke und was das alles mit mir macht, und was mir dazu durch den Kopf geht.

Ich beginne heute. Es ist der 12. Oktober 2021, Clara und ich urlauben für drei Tage in der „Göttin des Glücks“ in Vogelsang

16:24:
Clara sitzt in ihrer Koje und schreibt. Ich liege auf der Couch, die Wärmflasche im Rücken, angelehnt an zig Kissen, die meinen Kopf stützen. Es ist schwer ihn zu halten. Irgendetwas ist wieder mal ver-rückt. Vor zwei Wochen war ich beim Osteopathen, der mich zurechtgerückt hat, heute vor einer Woche bei meiner Chiropraktikerin und trotzdem laboriere ich schon wieder. Totale Anspannung. Verr-rücktsein. Dabei achte ich so auf Ent-spannung. Ich arbeite auf Sparflamme. Am Wochenende war ich gleich zwei Mal im Theater. Seit gestern bin ich mit Clara im Urlaub. Aber auch hier holt es uns ein.

Seit gestern gilt: keine kostenlosen Tests mehr. Die Zweiklassengesellschaft schreitet voran. Ganz unauffällig, ganz subtil. Wer nicht betroffen ist, bekommt es so gut wie nicht mit.

Sechs, sieben Wochen ist es her, dass Sophie mir versichert hat, dass sie, wenn es zum Ausschluss der Ungeimpften (ich finde ja, wenn wir das Personalisierte, den (ungeimpften) Menschen schon weglassen, sollte es, da wir uns bei allem sonstigen schon totgendern wenigstens UngeimpftInnen heißen) käme, die Erste wäre, die auf die Straße gehe. Das hat mich damals sehr bewegt, sehr gerührt. Ich habe sie in den Arm genommen, sie gedrückt und mich bedankt. Als ich ihr gestern nun sagte, dass es wohl bald soweit sei und sie auf die Straße müsse, war sie sehr verwundert. In ihrem Umfeld bekommt sie nichts mit. In ihrer Klasse sind mehrere Mitschüler nicht geimpft. Das sei, sagt sie, gar kein Problem. Die Tests gäbe es für diese ungeimpften Schüler kostenfrei. Auch JETZT noch? Sophie nimmt es an, weiß es aber nicht. Ich empfahl ihr, sich zu erkundigen.

Gerade erst am Abend zuvor hatte Sonja mir erzählt, dass der Sohn einer ihrer Kursteilnehmer vermutlich nicht mehr studieren könne, weil er sich, ungeimpft zwei oder sogar drei Mal die Woche testen müsse. Der Test kostet jeweils 19,90€. Das sind rund 60€ die Woche. Welcher Student kann sich das leisten. Katrin aus K. erzählte mir von einer befreundeten Patientin, die genau aus diesem Grunde ganz verzweifelt war. Inzwischen hätten sie jedoch einen Arzt gefunden, der der Patientin eine Impfunfähigkeit bescheinigt habe.

Sophie ist sehr skeptisch. Am besten wäre es, man vermittelt ihr mal ein Gespräch mit Betroffenen. Immer wieder mal wird mir vorgeworfen, ich lebte in meiner Blase. Die andere Blase existiert auf alle Fälle auch. Für meinen Podcast möchte ich gerne mit Menschen aus beiden „Blasen“ – ich will mich gar nicht auf diese Begriffe einlassen – also Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen ins Gespräch kommen. Ich fürchte, das wird schwierig werden. Ein ganz großes Misstrauen scheint im Raum zu stehen – der Corona-Ausschuss hat Drosten, Lauterbach und ich weiß nicht, wen noch, eingeladen, um Fragen zu klären, ich glaube, es kamen nicht mal Absagen. Auch für die Aktion „Alles auf den Tisch“ waren Anfragen rausgegangen an „MainstreamFachleute, die nicht reagiert, nicht mal abgesagt haben.

Es geht ein Riss durch die Gesellschaft … Bisher ließ er sich irgendwie ignorieren. Aber jetzt? Clara wollte hier im Urlaub gerne zum Friseur. Ich hatte meine Befürchtung, sagte aber nichts, sondern suchte im Netz und fand zwei Läden, die super Bewertungen hatte. Ich versuchte anzurufen. Wir sind hier im polnischen Netz. Es funktionierte nicht. Also probierten wir es auf gut Glück. Favorit Nummer Eins schied schnell aus. Es gelten, so stand es im Schaufenster, die 3G-Regeln. Favorit Nummer Zwei hatte nichts dergleichen am Eingang zu stehen. Durchs Fenster sahen wir drei Friseurinnen mit Maske, die an drei Kundinnen mit Maske herumschnippelten. Sollten wir uns ohne Maske (wir hatten nicht mal eine zur Not dabei) und ungetestet hineinwagen? Clara entschied: Nein! Auch in den Bäcker, der so lecker duftete, wagten wir uns nicht. Der Verkaufsraum war winzig und alle Kunden trugen Maske. Wir beschlossen Eis und Schlagsahne im Supermarkt zu kaufen und es uns „Zuhause“ gemütlich zu machen. „Hier habe ich irgendwie Schiß ohne Maske“, sagte Clara. In Prenzlau sei es echt was anderes. Genauso geht es mir auch. Aber irgendwer muss vorangehen, muss zeigen: So nicht! Nicht mit uns! Also waren wir doch noch einmal tapfer, selbstbewusst und freundlich – im DM, im Nahkauf und im Netto – und alle waren freundlich zu uns.

Inzwischen haben wir unser Eis genossen und genießen die schöne Wohnung und das EinfachNurSein! Herrlich.

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Matthias schickt mir ein Video von einem österreichischen Politiker, der sagt: „Es zahlen ja auch diejenigen, die nicht geimpft sind, den Impfstoff derer, die sich impfen lassen. Oder glaubt da jemand, dass das gratis ist, was da bisher angeschafft wurde. Und glaubt da irgendwer, dass die 42Millionen Dosen, die für das Jahr `22 und ´23 bestellt worden sind, ein Geschenk der Pharmaindustrie ist? Ich glaube, man muss im Zusammenhang mit dem Kostenargument eine ganz andere Frage stellen: Wie kommen alle Steuerzahler, also die geimpften wie die ungeimpften eigentlich dazu, den Pharmafirmen Milliarden an Gewinnen zu ermöglichen durch den Abkauf eines Produktes, wo wir jetzt wissen, dass das, was versprochen wurde, nicht funktioniert. Das ist im Normalfall ein Fall für eine Reklamation. … Bei uns wird nicht reklamiert, sondern nachbestellt. Wie kommen die Steuerzahler dazu, diesen ganzen Firlefanz mitzumachen und noch dazu, wie kommen die Steuerzahler dazu, …, letztendlich das gesamte Haftungsrisiko für Folgeschäden aus dieser ganzen Impferei, wo wir noch nicht wissen, was auf uns zukommen wird, das zu übernehmen. … Der überwiegende Teil derer, die schwere Krankheitsverläufe haben, sind Leute, die vollständig geimpft sind. Und das ist keine böse Propaganda von irgendwelchen Skeptikern an den Corona-Maßnahmen der österreichischen Regierung, sondern das ist die israelische Spitalstatistik. …“

Als ich das Video sehe, weiß ich nicht, dass der Politiker Herbert Kickl von der FPÖ ist. Die FPÖ ist mit Sicherheit nicht meine Partei. Aber was Kickl sagt, trifft den Nagel auf den Kopf!!! Man sollte nicht zuerst sehen, wer etwas sagt, sondern erst einmal hören, was er sagt!

Samstag war ich zum Regine Hildebrandt-Abend im Theater am Rand, Sonntag spielten Gundermanns Liedgefährten. Es war frappierend, wie sehr die Texte, sowohl von Regine Hildebrandt als auch von Gundermann, ins Heute passen. Wie würden diese beiden agieren, wenn sie noch lebten?

Ich werde demnächst zu einem Gundermann-Abend bei uns im Wohnzimmer einladen. Vielleicht kommt sogar Richard (A. d. Autorin: Regisseur des Dokumentarfilms). Das wäre schön.

17.28 Uhr Die Abendsonne lockt. Mal sehen, ob ich Clara aus ihrer Koje eisen kann.