Tagebuch einer ver-rückten Zeit

Tagebuch einer ver-rückten Zeit / Tag 18

29. Oktober 2021

Es geht los.
In Prenzlau.
Mit einem runden Tisch.
Hoffentlich.
Ein Historiker hat uns verraten, wie er es anfangen würde. Der Nordkurier muss initialzünden. Quasi einladen. Am Sonntag wollen wir Linden einen konkreten Plan aushecken. Fast waren wir ja schon mal so weit, ich glaube um Ostern, aber dann stand irgendwann doch viel mehr die systemische Arbeit im Focus.

Seit Wochen schon gehe ich nicht mehr zu unseren Lindenbaumtreffen. Allein wenn ich daran denke Mittwochabends loszustiefeln, wird mir schwindelig. Ganz in Echt. Ich denke, es zeigt ein Zuviel an. Ich genieße es, hier zu Hause zu sein und zu schreiben und mit der Familie zu sein.

Gestern Abend hatte unser Pfarrer eigentlich den Regisseur der Aktion „Allesdichtmachen“ Dietrich Pürner eingeladen. Er hatte auch zugesagt und gleichzeitig angefragt, ob er einen Historikerfreund mitbringen könne.
Inzwischen hat Dietrich Pürner das Land verlassen. Er kann hier nicht mehr das Leben leben, das er leben möchte. Er ist jetzt in Kroatien. Deshalb kam der Historiker alleine. Ich kannte ihn nicht, war aber gespannt, denn wenn unser Pfarrer einlädt, versprechen es immer bereichernde Veranstaltungen zu werden.

Drei Stunden waren die beiden im Gespräch. Der Historiker erzählte mit einer unglaublichen Lebendigkeit von seiner Sicht und flocht viele Anekdoten aus seinem eigenen Erleben ein. Immer wieder merke ich, dass mich diese Schilderungen eigenen Erlebens viel mehr erwischen als all die abstrakten Zahlen, die sich doch jeder irgendwie immer so zurechtbiegen kann, wie er sie braucht.

Schon seit Beginn der großen Umwälzung unserer aller Leben langt auch der Historiker immer wieder bei der verwunderten Erkenntnis an: Das hätte ich nie für möglich gehalten … Die widerspruchslose Hinnahme dieser Eingriffe in unser privatestes Leben.

Als 2019 die AfD im Osten teilweise auf 25 Prozent-Wählerstimmen kam, hatte er sich gefragt, wie die AfD wohl agieren würde, wenn sie tatsächlich Regierungsmacht bekäme. In seiner Phantasie wurden Unis geschlossen, Demos verboten und Widersprüchler diffamiert. Plötzlich nun kam das alles tatsächlich, aber aus entgegengesetzter Richtung.

Das Erschütterndste für ihn ist immer wieder die Erkenntnis, dass hinter all dem, hinter jeder Quarantäneanordnung des Gesundheitsamtes, hinter jeder Spielplatzabsperrung Menschen stecken, die das Spiel teilweise mit großer Kreativität mitmachen. Anfänglich zog der Historiker durch Berlin, um zu fotografieren, was die Leute sich haben einfallen lassen, um Spielplätze (Bei seinen Ausführungen wurde mir noch mal klar, wie absurd es ist, das kindliche Spiel zu kriminalisieren.) abzusperren – Bauzäune, Flatterbänder, Polizeiabsperrbänder, Schlösser, Drähte …

Als Historiker bestätigte er die Mentalität der Deutschen: die Lust am Gehorchen und das Aufpassen, dass andere auch gehorchen.

Auf sich selbst schauend, sagte der Historiker, er ginge durch die Gesellschaft, mit dem Gefühl, er gehöre nicht hierher. Als Historiker schaue er immer nach Kausalzusammenhängen, allerdings käme er bei dem, was hier seit achtzehn Monaten geschehe mit seiner Logik nicht mehr hinterher.

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In Anbetracht der Tatsache, dass ich heute, aufgewühlt vom langen Abend, den vielen Informationen und Begegnungen (ich glaube, ich kannte mehr als die Hälfte aller Zuhörer) ziemlich bescheiden geschlafen habe, ruhe ich mich jetzt noch ein Stündchen aus, bevor es nachher mit Ilka zu unserer szenischen Premierenlesung geht.

Tagebuch einer ver-rückten Zeit

Tagebuch einer ver-rückten Zeit / Tag 11

22. Oktober 2021

Manchmal hat es den Anschein, es könnte sich demnächst vielleicht eventuell entspannen.  Zum Beispiel, wenn der Focus online schreibt, dass bei 80 Prozent der offiziellen Covid-Toten Corona wohl nicht die Todesursache ist (30. August 2021) und der Uckermark Kurier heute  über gehäufte Impfdurchbrüche in Pflegeheimen (in Bad Doberan inzwischen mit mehr als zehn Toten) berichtet und sich der Epidemiologe Emil Reisinger von der Universitätsmedizin Rostock deshalb für eine neue gesetzliche Impfregelung für Mitarbeiter in sensiblen Bereichen ausgesprochen hat.

Es ist unglaublich. Immer wieder finden sich Leute, die sich trotz augenscheinlicher Wiedersprüche vor den Karren spannen lassen.

Die Impfquote – welch Vokabular – unter den Heimbewohnern beträgt 94 Prozent, die unter dem Personal 70 Prozent. Nun frage ich mich, wer ist denn erkrankt und wer stirbt? Die Ungeimpften? Ich fürchte „nein“. Die Ungeimpften aber, das geht aus dem Subtext hervor, haben die Seuche eingeschleppt. Logisch.
Auch im Neunbrandenburger Bonhoeffer-Klinikum sind 13 Covid-Fälle aufgetreten. Wer ist dafür verantwortlich? Der UckermarkKurier schreibt: „Das Krankenhaus vermutet, dass eine ungeimpfte Mitarbeiterin das Virus eingeschleppt hat“. Ich frage mich, wie kann das gehen? Die wird doch mit Sicherheit jeden Tag getestet. Im Gegensatz zu ihren geimpften Kollegen.

Was kommt beim Leser an? Diese billige Meinungsmache …

Mein Osteopath meint, viele Leute bekämen schon mit, was hier gespielt wird – er erzählt von seinem Chef, der aber keinen Rückzieher machen kann, weil er dann entblößt dasteht und wohl fürchtet, seinen gut bezahlten Posten zu verlieren. Wie sagte Hans Joachim Maaz bei seinem Vortrag in der Malchower Kirche: Der Narzist kann und wird keinen Fehler zugeben. Offenbar ist unsere Gesellschaft noch viel, viel narzistischer als ich es je für möglich gehalten habe.

Und selbst wenn solche Ungeheuerlichkeiten wie die 80 Prozent, die offenbar – oh, wir Verschwörungstheoretiker – gar nicht an Corona gestorben sind, plötzlich in den Mainstreammedien publik gemacht also zugegeben werden, dann passiert gar nichts. Das wird überlesen, ignoriert … oder was???? Ich verstehe es nicht. Das ist doch ´ne Bombe (die wievielte inzwischen?), die alles hochgehen lassen müsste.

Macht sie aber nicht. Sie bewirkt gar nicht.

Da kann ich nur den Kopf schütteln. Und echt auch mal wütend werden. Eineinhalb Jahre kämpfe ich hier und meine Freunde, Familie, Kollegen, Vorbilder die machen alles mit, die nicken alles ab. Hatten die keinen Geschichtsunterricht? Sind die gutgläubig? Uninformiert? Bestrebt nicht aufzufallen? Egoistisch? Ah nein, das bin ja ich – weil ich mich nicht impfen lasse … Scheiße!!!