Barbara macht sich ein Bild

Fragen stellen unerwünscht

Berlin, 21. Februar 2024

Halleluja liebe Nora,
da habe ich ja was losgetreten. So eine harmlose Frage… Ich danke dir für deine Gedanken dazu. Um mir ein umfassendes Bild zu machen und mir dann meine Meinung zu bilden, habe ich dieselbe Frage gestern am Kollegen-Stammtisch aufgeworfen. Da wir sonst meist im Homeoffice arbeiten, hatten wir uns noch nicht dazu ausgetauscht.
Du glaubst es nicht, alle, aber wirklich alle, waren total entrüstet, wie ich es wagen kann, solch eine Frage stellen. Dann habe ich auch noch erzählt, was du mir geantwortet hast. Auweia Nora, du kannst dir nicht vorstellen, was da abging. Keine Sorge, deinen Namen habe ich nicht erwähnt, aber ich habe jetzt echt ein Gefühl dafür, was mit Kontaktschuld gemeint ist. Wenn ich daran denke, kriege ich gleich wieder Schweißausbrüche – die habe ich ja permanent, dieser hier  allerdings hat definitiv nichts mit den Wechseljahren zu tun.
Um irgendwie aus der Sache rauszukommen, habe ich mich aufs Fragen verlegt, ich wollte einfach nachhaken, ich habe ja tatsächlich keine Ahnung. All das, was hier und auf der ganzen Welt gerade abgeht, ist mir echt zu viel, da steigt doch kein Mensch mehr durch.
Aber Fragen sind auch falsch, mir wurde vorgeworfen, die benutze ich doch nur als  Deckmantel, um antidemokratische und menschenverachtende Denkweisen salonfähig zu machen. Wenn ich das jetzt aufschreibe, bleibt mir glatt nochmal die Spucke weg. Ich als Linkswählerin. Irgendwann habe ich die Reißleine gezogen und verkündet, unbedingt selbst auf die nächste Demo zu gehen, schließlich bin ich ganz klar und definitiv gegen Nazis. Aber das eigentlich war ja meine Frage: Geht es wirklich nur gegen Nazis?
Gut, ich werde mir das anschauen. Dann weiß ich mehr. Hast du eine Ahnung, wann und wo die nächste Demo ist?
Wie sich die Situationen wiederholen – weißt du noch, als wir zu Corona und zur Impfung unterschiedliche Meinungen hatten? Damals hattest du mir empfohlen, mir diese Querdenker-Demos anzuschauen, danach war ich wirklich schlauer. Es bleibt spannend.
Liebe Grüße aus der Mittagspause,
Barbara.

 

 

 

Demos gegen rechts – Noras Antwort

Rechts

Pinnow, 16. Februar 2024

Oh ja liebe Barbara,
ich habe eine Meinung dazu.
Plötzlich rennen sie alle auf die Straße, alle meine „woken“ Nachbarn, die ganze „woke“ Gesellschaft. Meine Sofie war auch mit dabei, meine Schwester, unser halbes Dorf, all unsere Berliner meinen plötzlich hier in der Uckermark Flagge zeigen zu müssen. Aber wo waren sie als die Bauern auf die Straße gegangen sind?
Und gegen wen demonstrieren sie da jetzt eigentlich. Gegen rechts. Wer oder was ist rechts? Werde ich nicht auch als rechts eingestuft? Weil ich der gesellschaftspolitischen Entwicklung seit bald vier Jahren sehr kritisch gegenüberstehe? –  erst als „Coronaleugner“, als „Querdenker“, „Impfverweigerer“, „Covidiot“, „Putinversteher“ – das alles zusammen ergibt doch mindestens rechts.
Wer initiiert diese Demos, die ja wirklich wie Pilze aus dem Boden sprießen? Gegen rechts, gegen Rassismus, gegen die AfD, gegen Hass und Hetze…
Während Corona habe ich u.a. gelernt lieber für etwas als gegen etwas zu sein. Und wenn ich dann auch noch sehe, dass da in vorderster Front Banner getragen werden mit der Aufforderung:  „Tötet Nazis!“, dann graust es mir. Ist das nicht Hetze, ist das nicht Hass? Was passiert da? Warum verschließen so viele Menschen ihre Augen davor?
Und denken dabei, sie wären so wach. Plötzlich wissen sie alle, wie sie sich 1933 verhalten hätten. Aber wissen sie es wirklich?
Wer ist gut? Wer ist böse? Wer entscheidet das?
Wofür stehen diese Demos? Sind sie (vielleicht nicht auch) ein Ablenkungsmanöver? Zum Beispiel von den Bauernprotesten?
Vor zwei Wochen fand in Prenzlau eine Demo gegen rechts statt, morgen die nächste in Angermünde, in Templin gab es eine, in Schwedt.  Über den Verteiler unseres „Alten Gemeindehauses“ werden wir darüber informiert und durch die Blume aufgefordert teilzunehmen „Es wäre schön“, schreibt der Vereinsvorsitzende“, wenn wir uns morgen in Angermünde sehen“. Komisch – zu den Bauernprotesten wollte er mich nicht sehen. Auch nicht als ich für unser Grundgesetz und (in dem Fall) GEGEN die Impfpflicht auf die Straße gegangen bin. Wohl aber als es plötzlich überzählige Impfdosen gab, für die Abnehmer gesucht wurden.

Die Demo morgen in Angermünde richtet sich gegen Hass und Hetze und wirbt für Vielfalt, Toleranz und Miteinander. Immerhin, das finde ich gut, ist sie nicht nur gegen, sondern auch für etwas. Und zwar alles Dinge, für die ich auch stehe. Die ich aber gerade auf diesen Demos vielfach nicht erlebe.

Was mich explizit stört ist dieser Tenor gegen die AfD. Roland Rottenfußer fragt in einem Artikel, der bei Manova erschienen ist und meines Erachtens den Nagel auf den Kopf trifft: „Wird, da nichts mehr für diese Führungsriege spricht, der Hass auf die Opposition und die Angst vor ihr als letzte Karte gezogen, um als Koalition des geringeren Übels mehr schlecht als recht weiterzuwurschteln?“
Warum, so müsste sich die Führungsriege doch fragen, hat die AfD – übrigens eine demokratisch gewählte Partei – so viel Zulauf?
Wen soll man wählen, wenn keine Partei wählbar ist? Wenn uns von allen mehr oder weniger offen ins Gesicht gelogen wird? Für mich gibt es keine Partei, die ich guten Gewissens wählen könnte.

Das liebe Barbara (und noch viel mehr) geht mir dazu durch den Kopf. Was sagst du dazu?

Liebe Grüße,
Nora.

 

 

 

 

PS: Diese beiden Artikel findeich sehr lesenswert: https://www.nachdenkseiten.de/?p=110440
https://www.manova.news/artikel/alles-was-rechts-ist-3.pdf

Denkt die wie wir?

Corona steht noch immer zwischen uns

Berlin, 14. Februar 2024

Liebe Nora,

ich habe ein wenig Schiss, anzusprechen, was ich dir schreiben möchte, finde es aber wichtig und vertraue darauf, dass du das, was du sagst auch meinst und lebst.
Nach wie vor fand ich unseren freitäglichen Abend mir Rios Irrlichtern im „Peter Edel“ grandios, allerdings gab es für mich auch einen kleinen (großen?) Wermutstropfen. Deine Freundin Kristina, die ich eigentlich total sympathisch finde, ließ mehrfach Bemerkungen fallen, die mir echt sauer aufgestoßen sind. Du kannst dir womöglich denken, was ich meine, obwohl, vielleicht hörst du es gar nicht, weil du dich nicht betroffen fühlst, wenn Kristina fragt (was wie gesagt mehrfach geschehen ist): „Gehört der zu uns?“ oder „Denkt die wie wir?“.
Ich finde das total krass. Mir hat sich sofort alles zusammengezogen. Ich war zwar mit euch unterwegs, hatte eben noch mit euch rumgealbert und fühlte mich im nächsten Moment komplett ausgeschlossen. Zwar war ich nicht gemeint, also ich als Kristina, dennoch fühlte ich mich im Kern getroffen. Diese paar Worte haben eine Front aufgezogen. Das war eine imaginäre Konfrontation. Corona steht noch immer zwischen uns.
Nun frage ich dich: Wie stehst du dazu? Hast du es überhaupt bemerkt?
In banger Erwartung deiner Antwort, grüße ich dich – gewohnt herzlich, Suse.

Demos gegen Rechts

Hast du eine Meinung dazu?

Berlin, 12. Februar 2024

Hej Nora,

kannst du mir auf die Sprünge helfen? Ich bin total überfordert.  Von überall höre ich, dass Freunde und Bekannte an Demos gegen die AfD teilnehmen. Diese Veranstaltungen scheinen ja wie Pilze aus dem Boden zu sprießen. Hast du eine Meinung dazu? Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll.
Ich danke dir, Barbara.

Es tut zu weh

Absage

Grieth, 11. Februar 2024

Liebe Nora,

ich habe gerade versucht dich anzurufen. Da ich dich nicht erreiche, schreibe ich dir, was ich dir gerne persönlich mitgeteilt hätte.
Nach wie vor bin ich begeistert von deinen Projekten und finde sie wichtig. Dennoch werde ich mich nicht beteiligen. Ich bin inzwischen siebenundsiebzig und habe beschlossen, mich nur noch mit den schönen Dingen des Lebens zu beschäftigen. Zurückzuschauen wäre zu schmerzhaft, die Wende und unser Ankommen hier waren schwere Zeiten, dorthin zurückzukehren, auch wenn es nur in Gedanken ist, will ich mir nicht antun, das würde zu sehr wehtun.
Ich denke, das wirst du verstehen.
Komm du gut durch diese – auch wieder ver-rückten Zeiten,

liebe Grüße, Hannelore.